400 Meter Abfluss unter der Erde
Zum Foto: Wassermeister Tobias Kollmannsberger, Planer Jörg Huber vom Ingenieurbüro Dippold & Gerold, Erich Plangger von der ausführenden Firma Pfeiffer und Bürgermeister Jürgen Seifert (von links) besprechen die Baumaßnahme.
Prien – Im Wald unmittelbar südlich der Bebauung von Trautersdorf liegt seit 2003 ein Zwischenspeicher. Bis zu 5000 Kubikmeter Wasser können für einige Zeit dort zurückgehalten werden, damit sie nicht bergab fließen und Häuser im Wohngebiet rund um die Alte Bernauer Straße unter Wasser setzen. In diesem Bereich stand es am 23. Oktober 2014 Spitz auf Knopf, weil das Rückhaltebecken in Trautersdorf überlief. Das Wasser suchte sich seinen Weg über die Wiesen. Der offene Graben, der dort verläuft, war schnell übervoll. Die Feuerwehr musste mit mehreren hundert Meter Schlauchleitungen Wasser aus den Wiesen über die Bernauer Straße in den Mühlbach pumpen, bevor es in die Keller der Häuser lief.
Bald darauf gelang ein Durchbruch. Die Regierung von Oberbayern sicherte eine 100-prozentige Förderung zum Bau einer unterirdischen Leitung zu. 475 000 Euro soll die Maßnahme kosten, die der Markt Prien vorfinanziert, um sich das Geld später vom Zuschussgeber zurück zu holen.
Anschluss an den Mühlbach.
Auf einer Länge von 400 Metern wird vom Rückhaltebecken unter den Wiesen und der Bernauer Straße hindurch eine Verbindung zum Mühlbach gelegt. Die Rohre werden einen Innendurchmesser von 50 Zentimetern haben. Das reicht aus, damit im Ernstfall maximal 610 Liter pro Sekunde durchfließen können, erklärte Tobias Kollmannsberger, der Wassermeister der Gemeinde, im Gespräch mit der Chiemgau Zeitung.
Für ein sogenanntes 100-jähriges Hochwasser, also ein Ereignis, wie es in diesem Ausmaß rechnerisch nur alle 100 Jahre vorkommt, reicht das aus – erst recht, sollte die Kapazität des Rückhaltebeckens erhöht werden können. Ob das möglich ist, wird aber erst eine Studie zeigen, die der Markt Prien zwischenzeitlich in Auftrag gegeben hat.
Reguliert wird der Wasserstand des Rückhaltebeckens durch einen Schieber, der im Bedarfsfall geöffnet wird. Im Zuge der jetzigen Baumaßnahme wird Kollmannsberger zufolge ein Trennbauwerk entstehen, also die bestehende Mauer durch ein weiteres Hindernis aus Beton und großen Flussbausteinen ergänzt. Ein zusätzlicher Schieber wird am Beginn der neuen Abflussleitung installiert. Geöffnet würde der aber nur in Abstimmung mit einem Krisenstab der Feuerwehr. Denn dieses Gremium hat im Ernstfall den Überblick und weiß, ob der Wasserstand des Mühlbachs soweit abgesenkt wurde, dass dieser zusätzliches Wasser aus dem Rückhaltebecken aufnehmen kann, ohne selbst überzulaufen. Der Wasserstand des Mühlbachs wird von dessen Beginn am Beilhackwehr im Eichental grundsätzlich künstlich reguliert.
Von der Hochwasserschutzmaßnahme, die nach Kollmannsbergers Schätzung in vier Monaten vollendet sein könnte, profitieren indirekt auch einige Schulkinder. Denn der Markt Prien hat neben der 60 Meter langen Stichstraße von der Bernauer Straße zum Hohertinger Weg genug Grund erwerben können, um über der neuen Leitung einen 1,5 Meter breiten Gehweg anlegen zu können. Die schmale Straße müssen sich die Kinder bisher mit Lkw und Bussen teilen, wenn sie auf dem Schulweg sind. Lkw verkehren auf dem Weg zu Wertstoffhof und Bauhof, Busse der Waldorfschule kommen mittags aus der Alten Bernauer Straße.
Für die voraussichtlichen drei Wochen, in denen die Leitung unter der Stichstraße verlegt wird, muss diese zeitweise halbseitig gesperrt werden. Wer zum Wertstoffhof will, muss einen Umweg über die Alte Bernauer Straße in Kauf nehmen.
Acht-Meter-Damm am Reitbach
Eine andere Straßensperrung, die schon seit Herbst 2015 besteht, könnte nach aktuellen Schätzungen Ende Mai aufgehoben werden: Wenn nichts mehr dazwischen kommt, ist dann die Straße von und nach Hoherting wieder frei. Der Bau eines neuen Rückhaltebeckens, das das Gewerbegebiet am Reitbach vor Hochwasser schützen soll, ist weit fortgeschritten. Zurzeit pendeln die Lkws mit Material für den Dammbau. Sechs Meter hoch ist der Wall bereits aufgeschüttet, acht Meter hoch soll er werden.
Auf einem Areal von rund 7000 Quadratmetern, das der Markt Prien nach zähen Verhandlungen kaufen konnte, baut das Wasserwirtschaftsamt (WWA) Rosenheim ein Rückhaltebecken mit einem Fassungsvermögen von 45 000 Kubikmetern. Die Abflussmenge im Reitbach soll sich durch diesen Zwischenspeicher von zwölf auf vier Kubikmeter pro Sekunde reduzieren. Diese Maßnahme wird (ohne Grunderwerb) auf 1,2 Millionen Euro geschätzt. Markt Prien und WWA hatten schon vor längerer Zeit auf der Basis eines Marktgemeinderatsbeschlusses vom Februar 2014 eine Finanzierungsvereinbarung getroffen. Die Gemeinde hat sich darin verpflichtet, ein Fünftel der Kosten zu übernehmen, also wahrscheinlich knapp 280 000 Euro.
Erschienen im Oberbayerischen Volksblatt und OVB online am 01.04.2016
Presseberichte zum Downloaden:
"400 Meter Abfluss unter der Erde"
OVB am 01.04.2016